Clubgeschichte

JENÖ KONRAD-CUP

FUSSBALL TRIFFT AUF GESCHICHTE

„Jenö Konrad Cup – Fußball trifft auf Geschichte“

Idee des Projekts

Mit dem Projekt „Jenö Konrad-Cup – Fußball trifft auf Geschichte“ wollen der TSV Maccabi Nürnberg und der 1. FC Nürnberg Schüler:innen aller Schularten gegen Antisemitismus sensibilisieren sowie Begegnungen Jugendlicher aller Religionen auf Augenhöhe mithilfe des Sports ermöglichen.

Ausgangspunkt dafür ist die intensive Beschäftigung mit der Biografie des ehemaligen jüdischen Trainers Jenö Konrad, der zwischen 1930 und 1932 beim 1. FCN tätig war. Das Projekt bietet die Möglichkeit, das aktuelle jüdische Leben in Nürnberg kennenzulernen und an einem besonderen Fußballturnier auf dem Club-Vereinsgelände teilzunehmen. In den Pandemiejahren 2020/2021 wurde der Jenö Konrad-Cup digital weiterentwickelt: So wurden neu ein interaktives Quiz rund um jüdisches Leben in Deutschland kreiert und virtuelle Begegnungen mit Jugendlichen aus Makkabi-Ortsvereinen aus ganz Deutschland initiiert.

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Gesellschaftlicher Hintergrund

Antisemitische Vorfälle in Deutschland nehmen kontinuierlich zu. Auch der Hass gegen Jüdinnen und Juden, der aufgrund des Nahost-Konfliktes in den vergangenen Wochen noch unverhohlener zu Tage getreten ist – und das ausgerechnet im Gedenkjahr „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ – unterstreicht wie brandaktuell und relevant unsere Projektarbeit ist.

In der deutschen Bevölkerung gibt es laut verschiedenen Studien seit Jahrzehnten einen konstanten Anteil von 20 Prozent, der antijüdische Ressentiments hegt. Dazu kommt verstärkt Antisemitismus aus dem islamisch-arabischstämmigen Umfeld zum Tragen, bei dem viele junge Menschen häufig mit Juden und Israel als Feindbild aufgewachsen sind. Nicht zuletzt zeigt aber auch der Vorfall in Halle/Saale, dass Antisemitismus aus rechtsextremen Motiven ein überaus großes Problem darstellt.

Auf den Schulhöfen und in vielen Sportvereinen ist Alltags-Antisemitismus seit vielen Jahren präsent. „Du Jude“ wird beispielsweise sehr ungeniert als Schimpfwort verwendet. In den Vereinen sind oftmals Trainer:innen und Betreuer:innen, aber auch viele Lehrer:innen in der Schule mit der Situation überfordert bzw. nicht ausreichend sensibilisiert. Statt jedoch klar dagegen vorzugehen, wird dies häufig, meist unbewusst, unter „Streitigkeiten zwischen Jugendlichen“ eingeordnet und bagatellisiert.

Und das tun wir: Aktive Geschichtsaufarbeitung

Im Jahr 2017 haben der TSV Maccabi Nürnberg und der 1. FCN eine Partnerschaft geschlossen. Im Rahmen der Kooperation setzen beide Vereine seit nunmehr vier Jahren gemeinsam und nachhaltig ein starkes Zeichen gegen jegliche Arten von Menschenfeindlichkeit. Als zentrales Projekt wurde dabei der Jenö Konrad-Cup als Bildungsprojekt neu konzipiert und mit dem Slogan „Fußball trifft auf Geschichte“ versehen. Das Projekt hat den klaren Fokus, zusammen mit Nürnberger Schulen, Präventionsarbeit in Hinblick auf Antisemitismus zu leisten und Jugendliche direkt, ohne den Umweg über ihr familiäres Umfeld, zu erreichen.

Das Projekt ist in zwei Hauptphasen aufgeteilt. Nach einem Impulsvortrag des FCN-Historikers Bernd Siegler zur Biografie von Jenö Konrad bearbeiten in der ersten Phase Schulgruppen ein eigenes Projekt zum Thema Antisemitismus. Maccabi bindet hier über die weiteren Kooperationspartner Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg (IKGN) und MAKKABI Deutschland Jugendliche jüdischen Glaubens ein, um Begegnungen unter Gleichaltrigen auf Augenhöhe zu ermöglichen.

Die Projektarbeit gilt als sogenannte Qualifikationsphase für das Highlight, das Fußballturnier auf dem Gelände des 1. FCN, mit der Möglichkeit, auch auf Profispieler des 1. FCN zu treffen. In dieser zweiten Phase treten die Schüler:innen unterschiedlicher Schulen in gemischten Teams gegeneinander an. Wichtig sind die Aspekte Gemeinsamkeit und Verbundenheit durch Sport. Auch wenn die Schüler:innen individuell Punkte für die eigene Schule sammeln, sind sie doch in einem gemeinsamen Team auch auf andere „vermeintliche Konkurrenten“ angewiesen. Am Ende gibt es einen Gesamtsieger und seit 2020/21 auch Spartensieger aus Phase I und II. Die Punkte in Phase I werden dabei durch eine namhaft besetzte Jury vergeben.

Jenö Konrad-Cup 2021: Digitale Begegnungen im virtuellen Raum

Durch die Corona-Pandemie wurden wir in den Jahren 2020 und 2021 vor neue Herausforderungen gestellt. Nach einem in jedem Jahr als konstituierende Sitzung dienenden „Round Table“ mit Lehrer:innen sowie der neuen Referentin für Schule und Sport der Stadt Nürnberg, Cornelia Trinkl, wurden die Digitalisierung und eine inhaltliche Erweiterung des Jenö Konrad-Cups beschlossen. Uns war sehr wichtig, dass das Corona-Virus das so wichtige Projekt nicht ausbremst und wir die Schüler:innen auf virtuellen Wegen ansprechen.

Die Fluchtbiografie Jenö Konrads, seine bewegende Persönlichkeit und die Lebensphilosophie des ehemaligen Club-Trainers („Niederlagen gehören zum Leben dazu, wichtig ist, dass man immer wieder aufsteht.“) wurden den beteiligten Klassen in einer Doppelstunde mit anschließender, digitaler Diskussion als Auftakt des diesjährigen Jenö Konrad-Cups nahegebracht. Einen wichtigen Part in der Doppelstunde nimmt das Entstehungsvideo der Stadion-Choreografie in Gedenken an Jenö Konrad ein. 2012 hatte ein zentraler Teil der aktiven Fanszene des 1. FCN, Ultras Nürnberg 1994, auf beeindruckende Weise Jenö Konrad gedacht und, gemeinsam mit 50.000 Stadionbesuchern, ein Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt. Die Choreografie war Ausgangspunkt für die Rehabilitierung der zwischen 1933 und 1945 aus dem 1. FC Nürnberg ausgeschlossenen jüdischen Mitglieder durch den 1. FCN sowie die Entstehung des Jenö Konrad-Cups.   

In einer zweiten Doppelstunde wurden Jugendliche aus verschiedenen Makkabi-Ortsvereinen mit Teilnehmer:innen aus den Projektschulen digital zusammengebracht. Ein virtuelles und interaktives Quiz beleuchtete verschiedene Aspekte des modernen jüdischen Lebens in Deutschland und diente als „Eisbrecher“ für intensive Diskussionen der Schüler:innen untereinander. Diese wurden von den Jugendlichen selbst moderiert und endeten oft erst nach mehr als 2,5 Stunden in einer Verlängerung. Wir waren beeindruckt, zu was ein solcher Dialog auf Augenhöhe führen kann. Zahlreiche Bereiche des jüdischen Alltaglebens, aber auch die Ausübung des Glaubens wurden genauso diskutiert, wie aktuelle politische Themen. Das große Interesse, die rege Mitarbeit und Diskussionsfreude der mehr als 400 Schüler:innen in diesem Projektjahr hat uns überwältigt.

Das weltweite Erstarken von Antisemitismus hat uns geradezu angestachelt, zum diesjährigen „Jenö Konrad-Cup 2021“ eine besonders hochkarätige „Jury-Elf“ mit Personen aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Sport zu berufen. Namhafte Experten wie Ahmad Mansour, Karl Freller, der ehemalige FCN-Coach Hans Meyer oder Dr. Henry Wahlig vom Deutschen Fußballmuseum haben ihr Mitwirken bereits zugesagt. In den vergangenen Jahren waren bereits Dr. Felix Klein (Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus) mit einem zentralen Grußwort sowie der ehemalige Club-Spieler aus Israel, Almog Cohen, Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein und weitere Persönlichkeiten mit Grußbotschaften vertreten.

Projektarbeit

Zum Ende von Projektphase I entwickeln die teilnehmenden Klassen zusammen mit der Lehrkraft eine Projektarbeit zum Thema Antisemitismus. Dabei wird ihnen vollkommen freie Hand gelassen, wie die Umsetzung erfolgt und welche Versatzstücke sie aus dem Leben Jenö Konrads herausnehmen oder ob sie z. B. auch eigene biografische Erlebnisse, wie beispielsweise die eigene Fluchtgeschichte, einbringen.

Es entstehen jedes Jahr kreative Projektarbeiten. Formate, wie Filme, Podcasts, Poster oder kleine Theaterstücke, Lesungen und auch Werke der Bildenden Kunst waren schon darunter. Die Projektarbeiten werden zum Abschluss, dem Höhepunkt, des „Jenö Konrad-Cup – Fußball trifft auf Geschichte“, in diesem Jahr leider nicht beim 1. FC Nürnberg von den Schüler:innen vorgestellt, sondern digital eingereicht und präsentiert. Sie werden anschließend von der Jury nach einem Punktesystem bewertet.

Fokus auf das Fußballturnier 2022 – Mit besonderem Modus

Normalerweise wird am Tag der Präsentation der Projektarbeiten am Sportpark Valznerweiher ein Fußballturnier durchgeführt. Daran nehmen alle Klassen der angemeldeten Schulen in gemischten Mannschaften teil, um den gemeinsamen, einenden Charakter des Projektes zu unterstreichen.

Leider musste das Fußball-Turnier 2021 pandemiebedingt abgesagt werden. Gemeinsam laden alle Projektpartner die beteiligten Schüler:innen aber zu einem Heimspiel des 1. FCN in der neuen Saison 2021/22 ein, das ganz unter den Motto Jenö Konrad-Cup 2021 stehen wird. Zudem wird es im Rahmen des Turniers 2022 „Alumni“-Spiele für die diesjährigen Teams geben. Wie bereits in der Vergangenheit wird im Rahmen des Heimspiels dem Projekt eine reichweitenstarke Plattform geboten. Das Projekt wird durch Vertreter von Maccabi Nürnberg und des 1. FCN kurz vor Anpfiff des Zweitliga-Spiels und in den (sozialen) Medienkanälen des Club präsentiert.

Zwischenbilanz des Projekts

Waren es beim Initialprojekt 2017/2018 drei Schulen, so nahmen 2018/2019 schon 13 Schulen am „Jenö Konrad-Cup – Fußball trifft auf Geschichte“ teil. Der aktuelle Titelverteidiger ist das Sonderpädagogische Förderzentrum „Jean-Paul-Platz“. Das zeigt, dass unser Projekt, unabhängig vom Schultyp, die Möglichkeit bietet, als Sieger:in hervorzugehen. Im aktuellen, digitalen Projekt nehmen sieben Schulen teil, die das gesamte Spektrum der Schullandschaft abbilden. Erstmals sind auch Schulen über die Stadtgrenze Nürnbergs hinaus, z. B. aus Fürth, mit von der Partie.

Inklusive der diesjährigen, digitalen Durchführung konnten bisher insgesamt über 1.000 Schüler:innen mit dem Angebot erreicht werden.

Soziale Verantwortung

Mit dem Jenö Konrad-Cup stellen sich der TSV Maccabi Nürnberg und der 1. FCN ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für Stadt und Region. Wir wollen die Kraft des Sports nutzen, um dem zunehmenden Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Das Projekt sensibilisiert Teilnehmer:innen für die Geschichte ihrer Stadt und ermutigt, Antisemitismus im Alltag aktiv zu begegnen.

Dies geschieht durch Teilhabe, indem den Projektteilnehmer:innen Möglichkeiten zur eigenen Recherche, zum interreligiösen Dialog, zur Projektarbeit und zum gemeinsamen Fußballspielen gegeben werden.

Eine wichtige Komponente ist auch das moderne jüdische Leben im Hier und Jetzt.  Begegnungen unter Jugendlichen helfen Vorurteile abzubauen und zeigen, dass wir alle aufeinander angewiesen sind und trotz kultureller Unterschiede unsere Gemeinsamkeiten überwiegen.

Der Jenö Konrad-Cup ist auf der sozialen, digitalen Plattform des 1. FC Nürnberg, www.UnserClub.de, eingebettet. Mit dieser Plattform bündelt der 1. FCN seine Bewegungs-, Bildungs-, Ehrenamts- und Ökologie-Projekte. Neben dem Jenö Konrad-Cup finden sich weitere Projekte gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus, wie zum Beispiel die Club(ver)führungen über das Reichsparteitagsgelände, „Der Club im Nationalsozialismus“ oder Bildungsfahrten nach Flossenbürg und Dachau, die als erweitertes Angebot für die Teilnehmer:innen des Jenö Konrad-Cups dienen. Die Teilnahme wird auf www.UnserClub.de durch Punkte und Preise vom 1. FCN belohnt. Darüber hinaus bietet der Verein mit dem neuen Projekt „Club-Geschichte“ künftig die Möglichkeit, Schüler:innen des Jenö Konrad-Projekts in die Forschungsarbeiten zur kürzlich aufgetauchten „Jüdischen Mitgliederkartei“ in die weitere Aufarbeitung der NS-Vergangenheit durch das Nachzeichnen weiterer Biografien einzubinden.